Abschnitt IIII

Pro secundo: Auch der nun auseinanderzusetzende zweite Grund ist sowohl strategisch als auch pädagogisch von großer Bedeutung; im Schach entscheidet zuguterletzt der Optimismus; ich meine, es sei psychologisch wertvoll, in sich die Gabe großzuziehen, sich über kleine Vorteile freuen zu können. Der Anfänger „freut" sich nur dann, wenn er seinem Gegner ein Mal zurufen oder vielleicht noch mehr, wenn er dessen Dame erobern kann (denn in den Augen des Anfängers ist das womöglich der größere Erfolg von den beiden); der Meister hingegen ist bereits froh und königlich zufrieden, wenn es ihm gelingt, den Schatten einer feindlichen Bauernschwäche zu erspähen, irgendwo in einem Winkel der linken Bretthälfte! Dieser hier gekennzeichnete Optimismus bildet die unentbehrliche psychologische Grundlage für das Positionsspiel. Dieser Optimismus ist es auch, der einem die Kraft dazu verleiht, in jedem Uebel, so groß es auch sein mag, die noch so schwächliche Lichtseite zu entdecken. An unserem Fall exemplifiziert können wir feststellen, dass ein feindlicher Freibauer für uns zweifellos ein beträchtliches Übel darstelle. Mit einer kleinen Lichtseite ist indes auch dieses Übel „behaftet". Die Sache ist die, dass wir im Falle einer Blockade dieses Bauern die Chance haben, den blockierenden Stein hinter dem Rücken des feindlichen Bauern sicher zu postieren, der Blockeur ist mit anderen Worten vor einem Frontalangriff gesichert. Beispiel: schwarzer Freibauer auf e4; ein weißer Blockeur Se3 ist dem Turmangriff e8—e3 nicht zugänglich, steht also gewissermaßen gesichert da.

Es ist wichtig zu konstatieren, dass der Blockeur (= der blockierende Offizier), ganz abgesehen davon, dass er seiner Verpflichtung zu blockieren nachkommt, für gewöhnlich auch sonst gut steht. Wäre dies nicht der Fall, so wäre es schwer, dem Einwand zu begegnen, dass es unökonomisch sei, einen Offizier kaltzustellen, bloß um einen Bauern zu bewachen. Indes in Wirklichkeit sind die Blockadefelder gleichzeitig auch sonst ausgezeichnete Felder, und zwar erstens weil, wie bereits gezeigt, gegnerische Frontalwirkung ausgeschlossen erscheint, zweitens, weil das Blockadefeld sich häufig mit dem „Vorpostenpunkt" in einer Turmlinie deckt und drittens weil der Blockeur stets genügend Elastizität bewahrt, um sich gegebenenfalls schnellstens nach einem anderen Kriegsschauplatz expedieren zu lassen. Für die Elastizität ist Diagramm 9 und dessen weitere Entwicklung beweiskräftig, hier wollen wir uns bloß damit begnügen, den zweiten Fall (Übereinstimmung von Blockadefeld und Vorpostenpunkt) an der Hand eines Beispiels zu demonstrieren: Im Damengambit erhält Schwarz oft einen isolierten Damenbauern auf d5 und obzwar nun dieser durch einen weißen Bauern auf e3 einigermaßen gehemmt erscheint, so können wir ihn doch als halben Freibauern ansprechen, so groß ist seine Expansionslust; dieselbe ist teilweise darin begründet, dass der Bauer d5 ja andererseits auch ein Zentralbauer ist. d4 ist hier das Blockadefeld. Nun hat Weiß aber außerdem die d-Linie und in dieser einen befestigten Punkt. Wo liegt nun der? Ja, gleichfalls auf d4, denn laut meiner Definition ist ein Punkt in einer Linie nur dann „befestigt" zu nennen, wenn dieser eine Bauerndeckung hat, hier Bauer e3. Ein befestigter Punkt in einer Linie soll aber durch einen Vorposten besetzt werden, siehe meinen Artikel über offene Linien etc. in der Wiener Schachzeitung 1913. Auf diese Weise wird d4 zu einem in doppelter Beziehung strategisch wichtigen Felde.