1.1 Die wechselseitigen Beziehungen zwischen der Behandlung der Elemente einerseits und dem Positionsspiel andererseits

Wie der freundliche Leser bald einsehen wird, basiert meine Auffassung des Positionsspiels zum großen Teil auf Erkenntnissen, die wir den „Elementen“ (in den ersten drei Lieferungen) mühsam abgerungen haben. Gesagtes gilt insbesondere für die von uns skizzierten Stratageme der Hemmung und Zentralisierung. Dieser Zusammenhang der Dinge mag insofern erfreulich wirken, als unserem Werke hierdurch eine gewisse Einheitlichkeit der Struktur gewährleistet wird, die natürlich auch dem Leser zugute kommen muß. Keineswegs aber darf sich eben genannter Leser der Hoffnung hingeben, daß das Eindringen in den Geist des Positionsspiels ihm nun füglich keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr bereiten könne; das wäre ein Irrtum. Denn erstens enthält das Positionsspiel auch andere Ideen mehr, wie z.B. das von mir entdeckte Gesetz der Überdeckung oder die recht schwierige Zentrumsstrategie; zweitens aber ist gerade das Übertragen der uns aus den „Elementen“ bekannten Ideen auf ein neues Terrain, das des Positionsspiels, schwierig genug. Die Art der Schwierigkeit ist ungefähr die gleiche, wie sie sich dem Komponisten darbietet, der eine Violinsonate für ein größeres Orchester bearbeiten will. Mag das „Thema“, mögen die Motive noch so unverändert dableiben, so geht das Ganze doch bedeutend in die Breite und Tiefe. Wir wollen das an einem konkreten Schachfall erläutern: wählen wir beispielsweise die Hemmung. In den „Elementen“ tangiert diese nur ein verhältnismäßig geringes Terrain, ein Freibauer wird gehemmt, oder eine freigewordene gegnerische Bauernkette wird in ihrem Vorwärtsschreiten behindert. Im Positionsspiel dagegen tritt das Thema der Hemmung viel gewichtiger in die Erscheinung, es handelt sich hierbei öfters um einen ganzen Flügel, der gehemmt werden soll. In Partien, in denen der hemmende Partner besonders stark orchestriert (ich denke nun an meine Dresdener Partie gegen Johner, 1926), erleben wir gar folgendes: das ganze Brett, beide Flügel, alle Ecken greifen das Motiv auf und schleudern es nach überall hin!

Noch schlimmer für den Lernenden ist Fall 2: Hier tritt das Thema in epischer Breite auf, mit einer Reihe von anscheinend zwecklosen Hin-und Herzügen bunt untermischt. Dieses Lavierungsspiel entspricht etwa der Begleitung im Musikstücke. Viele halten beide Dinge, Lavierungsspiel wie Begleitung, für entbehrlich; manche Schachfreunde gar gehen so weit, daß sie das Hin- und Herziehen als Dekadenzprodukt ansprechen. In Wirklichkeit bildet aber dieses Lavieren häufig genug den strategisch – wohlgemerkt, strategisch und nicht bloß psychologisch – angezeigten Weg, den geringen Terrainvorteil und die dadurch bedingte schnellere Manövrierfähigkeit der Truppen von dem einen Flügel nach dem anderen Flügel hin, in die Wagschale werfen zu können.