4.2b Der zweite Grund
Der Optimismus im Schach und die vor etwaigen Frontalangriffen gesicherte Stellung des Blockeurs. Der feindliche Bauer als unser Schutzwall. Die tiefer liegende Mission des Blockeurs. Der schwache Punkt.
In meinem Buche „Die Blockade“ schrieb ich hierzu wie folgt: „Auch der nun auseinanderzusetzende zweite Grund ist sowohl strategisch als auch pädagogisch von großer Bedeutung; im Schach entscheidet zuguterletzt der Optimismus; ich meine, es sei psychologisch wertvoll, in sich die Gabe großzuziehen, sich über kleine Vorteile freuen zu können. Der Anfänger „freut“ sich nur dann, wenn er seinem Gegner ein Matt zurufen oder vielleicht noch mehr, wenn er dessen Dame erobern kann (denn in den Augen des Anfängers ist das womöglich der größere Erfolg von den beiden); der Meister hingegen ist bereits froh und königlich zufrieden, wenn es ihm gelingt, den Schatten einer feindlichen Bauernschwäche zu erspähen, irgendwo in einem Winkel der linken Bretthälfte! Dieser hier gekennzeichnete Optimismus bildet die unentbehrliche psychologische Grundlage für das Positionsspiel. Dieser Optimismus ist es auch, der einem die Kraft dazu verleiht, in jedem Übel, so groß es auch sein mag, die noch so schwächliche Lichtseite zu entdecken. An unserem Fall exemplifiziert können wir feststellen, daß ein feindlicher Freibauer für uns zweifellos ein beträchtliches Übel darstellt. Mit einer kleinen Lichtseite ist indes auch dieses Übel behaftet. Die Sache ist die, daß wir im Falle einer Blockade dieses Bauern die Chance haben, den blockierenden Stein hinter dem Rücken des feindlichen Bauern sicher zu postieren, der Blockeur ist mit anderen Worten vor einem Frontalangriff gesichert. Beispiel: schwarzer Freibauer auf e4; ein weißer Blockeur Se3 ist dem Turmangriff e8-e3 nicht zugänglich, steht also gewissermaßen gesichert da.“
Soweit „Die Blockade“. Zu obigen Ausführungen wäre bloß hinzuzufügen, daß eben skizzierte relative Sicherheit, in der der Blockeur sich wiegen darf (klingt paradox, ein festgewurzelter Blockeur und – Wenn die Natur, ja der Feind selbst sich um die Sicherheit des Blockeurs bemüht, so muß dieser doch dazu auserlesen sein, Großes zu wirken. Und in der Tat, die Rechnung stimmt, der Blockadepunkt wird häufig zu einem „schwachen“ Punkt des Gegners.
Ich kann es mir sehr gut vorstellen, daß der Weg zum Erfassen (Erkennen) des Begriffes: „schwacher Punkt“ über das Blockadefeld geführt haben mag: der Gegner hatte einen Freibauern, wir stoppten ihn, und nun zeigte es sich plötzlich, daß dieser stoppende Stein höchst unangenehm drücke, der feindliche Bauer bildete eben die natürliche Schutzstellung für den spähenden Blockeur. Der einmal erkannte Begriff ward dann in der Folge erweitert und dematerialisiert. Erweitert, weil wir nun jedes vor einem feindlichen Bauern befindliche Feld als schwach bezeichneten, ob dieser (der Bauer) nun frei war oder nicht, wenn nur die Möglichkeit gegeben war, sich daselbst unvertreibbar einnisten zu können. Wir sind also mit der Zeit zugänglicher geworden und nehmen mit einem gewöhnlichen Wald- und Wiesenbauern vorlieb, und warum auch nicht? Hinter dem Rücken eines gewöhnlichen Bauern kann man sich auch schon ganz gut vor den in ihrer Gradlinigkeit so unangenehmen feindlichen Türmen verstecken. Aber der Begriff des schwachen Punktes wurde auch dematerialisiert. Wenn Dr. Lasker z.B. von schwachen weißen Feldern spricht (siehe Diagramm 52a ), so ist der feindliche Bauer als Schutzwall für den das schwache Feld besetzenden Stein durchaus keine conditio sine qua non mehr.
Diagramm 52a
Schwache weiße Punkte.