2.1 Wahlverwandtschaft zwischen „Doppelbauer“ und „Hemmung“;
ersterer begünstige eine Durchführung feindlicher Hemmungspläne. Was heißt das: Unter dem Nachteil eines Doppelbauern leiden? Der Begriff der passiven (= statischen) und aktiven (= dynamischen) Schwäche. Wann erscheint die Auflösung eines feindlichen Doppelbauern angezeigt? Die (einzige) wirkliche Stärke des Doppelbauern wird näher begründet.

Hemmung ist auch ohne das Vorhandensein feindlicher Doppelbauern denkbar; aber eine richtige Voll-Hemmung, die sich auf große Teile des Brettes erstreckt und „Atembeschwerden“ hervorruft, eine solche Hemmung ist nur dann möglich, wenn der Gegner unter dem Nachteil eines Doppelbauern leidet. Inwiefern, fragen wir nun, leidet man unter genanntem Nachteil? Daß ein isolierter Doppelbauer im Endspiel leichter Mühe zu erobern ist, oder daß dieser zum mindesten höchst unangenehme Deckungspflichten auferlegen kann, erschöpft angeregtes Problem nicht ganz. Denn das Leiden wird auch dann als bestehend angenommen, wenn es sich um einen kompakten, also leicht zu deckenden Doppelbauern handelt. (Kompakt nennen wir einen Doppelbauern in dem Falle, wenn er einer Bauernmasse angegliedert ist, Diagramm 144.)

Diagramm 144

Schema
Nach d3-d4 ist d4-d5 nebst weiterem c3-c4-c5 durch den Zug b6 zu stoppen, was bei vorhandenem b-Bauern nicht der Fall wäre!

Ebensowenig wäre das Leiden durch den Übelstand einer erschwerten Freibauernbildung (z.B. Weiß a2, b2, c2, c3 gegen a7, b7, c7) genügend gekennzeichnet.

Das Leiden ist vielmehr hauptsächlich darin begründet, daß im Falle eines geschlossenen Vorgehens gewisse paralytische Erscheinungen möglich werden können. Man sehe zum Beispiel Diagramm 144. Mit Bauer b2 statt c2 wäre das geschlossene Vorgehen d3-d4-d5 nebst c3-c4, b2-b4 und c4-c5 möglich gewesen.

Im Diagramm 144 fehlt aber gerade unser b-Bauer und somit wirkt der Versuch einer Übertragung (s. Bauernkette) hilflos: auf d3-d4-d5 nebst c3-c4 geschieht nämlich b7-b6 und das geplante c4-c5 erweist sich als gänzlich undurchführbar. Eben gewonnene Erkenntnis der Hauptschwäche des kompakten Doppelbauern (die wir als aktive oder dynamische Schwäche bezeichnen wollen) ermöglicht die Aufstellung der Regel, daß es lohnend ist, den Besitzer der durch Doppelbauern in ihrem Angriffswert verringerten Masse zu einem Vorgehen anzutreiben. In diesem Sinne muß Schwarz im Falle eines geschehenen d3-d4 (siehe Diagramm 144) danach trachten, den Gegner zu einer fortgesetzten Aktion in der Mitte zu bewegen. Solange er auf d4 verharren darf, kommt das Manko des Doppelbauern ebensowenig zum Vorschein, wie das Hinken bei einem - sitzenden Manne. Erst im Vormarsch zeigt sich die Schwäche.

Neben der „aktiven“ Schwäche hätten wir aber auch den Begriff der „passiven“ „statischen“ Schwäche zu unterscheiden. Diese letztere wird, im Gegensatz zu Beispiel 144, gerade dadurch aufgedeckt, daß man gegen den Doppelbauern „loslegt“, d. h. seine eigenen Bauern zum Sturm gegen denselben vorschickt. Denken wir uns Diagramm 144 mit Bauer d5 (statt d3), weißem Kg1 und Te2, schwarzem Tc8 und Kf8.

Regel: Bei passiver Schwäche des Doppelbauern ist ein Vorgehen gegen diesen Bauern angezeigt, wobei die Auflösung des gegnerischen Doppelbauern keineswegs zu fürchten ist Das Übel verschwindet nämlich nur halb, der eine Teil des netten Kleeblattes „verduftet“ freilich, aber der zurückgebliebene Teil wird um so schwerer büßen müssen.

Siehe nun Diagramm 145. Schwarz (der Autor dieses Buches) ließ den Gegner (E. Cohn ) spielen in der Hoffnung, daß dieses „Spiel“ doch schließlich Vereinfachung ergeben würde, wonach die Ausnutzung des Doppelbauern im Endspiel nicht allzu schwer fallen könnte.

Diagramm 145

Schwarz hat also mit der von ihm gewählten abwartenden Strategie Recht behalten, der Flankenangriff mußte an der Mittellinie (Punkt e5) scheitern und das Endspiel ist für Weiß hoffnungslos. (= Ein dem Lernenden zum Studium empfohlenes Beispiel für das „Spielenlassen“ im Falle Doppelbauer.) Indes war im Diagramm 145 auch das „Vorgehen“ möglich, denn e3, e4 bildet hier auch eine passive Schwäche. Angedeutetes Vorgehen denke ich mir etwa in folgender Weise ausgeführt: (siehe Diagramm 145)

Hauptregel: Isolierte Doppelbauern und ferner „kompakte“ oder vormarschierende Doppelbauern soll man befragen (= durch Bauern angreifen). Einen feindlichen Doppelbauernkomplex, der noch nicht vormarschiert ist, soll man dagegen vor dem Befragen zunächst einmal zur Aktion treiben: erst austoben lassen!