4.2 Die Blockade der Freibauern
Die Begründung der Blockadepflicht und warum genannte Begründung auch für den Praktiker, also nicht bloß für den Schachraisonneur (= Schachdenker), von größter Bedeutung sei und sein müsse. Die überaus komplizierten, weil ewig schwankenden Beziehungen zwischen Freibauer und Blockeur. Vom starken und schwachen, vom elastischen und unelastischen Blockeur.
In der Stellung des Diagramm 48
Diagramm 48
Das Problem der Blockade
hat Schwarz einen Freibauern, der aber durch Sb3-d4 oder Lf2-d4 blockiert werden kann. (Unter Blockade versteht man also die mechanische Stoppung eines feindlichen Bauern durch einen Offizier. Diese mechanische Stoppung wird dadurch erreicht, daß man seinen eigenen Offizier dicht vor den zu blockierenden Bauern setzt). Hier und in allen ähnlichen Fällen entsteht aber die Frage: bedeutet das Blockieren denn nicht einen unnötigen Energieverbrauch? Genügt es denn nicht, den Bauern zu observieren (hier durch die nach d4 hinwirkenden Läufer und Springer)? Ist das Blockieren überhaupt eines Offiziers würdig? Wird denn dessen Beweglichkeit, sofern er (der Offizier) seine Blockierungsaufgabe ernst nimmt, nicht in bedeutendem Maße verringert, wird er nicht selber glaube, erschöpfende Lösung des angeregten Problems bieten zu können. Der mittelmäßige Kritiker würde das Problem durch die kurze Feststellung erledigen; Freibauern sollen gestoppt werden. Aber das wäre in meinen Augen ein Armutszeugnis! Das Warum und Wieso ist außerordentlich wichtig, lächerlich ist es, einen Roman ohne Psychologie zu kredenzen, ebenso lächerlich wäre es, meine ich, ein Lehrbuch der Schachstrategie schreiben zu wollen, ohne sich in das Wesen der agierenden Steine zu vertiefen.
Mag nachfolgend skizzierte Stellungnahme noch so ungewohnt erscheinen, ich kann trotzdem immer nur betonen, daß der Freibauer und all die anderen Akteure für mich eine Seele haben, genau wie der Mensch, Wünsche, die unerkannt in ihnen schlummern, und Befürchtungen, deren Existenz sie selbst kaum ahnen (siehe Vorwort).
Aber ganz abgesehen davon bietet die detaillierte Begründung der Blockadepflicht mehr an praktischen Dessins, als der Theorieverächter (Theorie im Sinne der Schachphilosophie, nicht in dem der Eröffnungslehre) à priori anzunehmen geneigt sein dürfte. Das Vorhandensein von praktischen Dessins mache ich aber selbstredend keineswegs als mildernden Umstand geltend, denn was wollte ich mit mildernden Umständen, der aufmerksame Leser klagt mich ja nicht an, er hat es ja längst erfaßt, daß die Erkenntnis als solche auch ohne wie immer geartete Dessins von allergrößtem praktischen Wert sein müsse! Und für ihn, den aufmerksamen Leser, ist ja mein Buch geschrieben.
Um nun zur Tagesordnung überzugehen: es gibt der Gründe drei, die die Blockade logischerweise erzwingen; dieselben sollen nachstehend unter 2a, 2b und 2c analysiert werden. Unter 3 soll dann die Wirkungskraft des Blockeurs unter die Lupe genommen werden. Wir beginnen: