1. Die Zentralisierung

Damit lassen sich in der modernen Turnierpraxis treffliche Erfolge erzielen. Denn daß die Kontrolle der Zentralfelder unter allen Umständen eine strategische Notwendigkeit bildet, ist bisher noch wenig bekannt geworden, und so geschieht es nicht selten, daß selbst geübte Spieler aus dem Zentrum „glatt davonlaufen“. Wir aber haben in jedem einzelnen Falle streng darauf zu achten, daß jedwede von gegnerischer Seite im Zentrumsbereich begangene Unterlassung auch wirklich bestraft wird. Die Unterlassungssünden im Zentralgebiet entspringen entweder einer gewohnheitsmäßigen Nichtbeachtung strategischer Notwendigkeiten (also einem — sit venia verbo — strategischen Schlendrian) oder aber einer leidenschaftlichen Hingabe an die Idee einer Flügelattacke! Im ersteren Falle läßt sich der Gegner die Herrschaft im Zentrum entwinden, im zweiten überläßt er sie uns freiwillig, um sein Glück in einem kühnen Ritt am Flügel zu versuchen. Eine Flügelattacke gibt aber nur dann eine reelle Chance, wenn das Zentrum geschlossen ist oder aber durch ein Minimum an Kräften einbruchsfrei gehalten werden kann. Ist letzteres nicht der Fall, dann stirbt der Angriff an Entkräftung; denn wie sollte es auch denkbar sein, eine schwierige Angriffsformation einerseits mit einer überaus schwierigen Verteidigungsformation andererseits erfolgreich verbinden zu können! Unsere Partie 3 gibt eine deutliche Illustration hierzu. Der zentrale Durchbruch führte daselbst zu einer völligen Lähmung — beinahe hätte ich gesagt: Demoralisierung — der Diversionstruppen.

Die Mechanik des Zentralisieren vollzieht sich in der Weise, daß wir (nach allfälliger Hemmung eines eventuell vorhandenen beweglichen feindlichen Bauernzentrums) immer engere Kreise um den zentralen Felderkomplex ziehen. In diesem Sinne freuen wir uns über die Eroberung jeder noch so unscheinbaren Linie oder Schräge, wenn dieselben bloß über die Brettmitte führen. Ist es uns aber gar gelungen, erwähnte mehr ideelle Fernwirkung dahin zu materialisieren, daß wir einige unserer Figuren im Zentrum festsetzen konnten, dann dürften wir mit dem Erfolg unserer Zentralisierungsaktion so recht zufrieden sein. Man sehe unsere Nr. 12.

Eine im Mittelspiel erreichte Zentralanhäufung (wie oben skizziert) kann zu starken Angriffen am Flügel ausgenutzt werden, denn letzten Endes ist die Zentralisierung doch nicht als Selbstzweck aufzufassen, vielmehr gilt sie uns nur als die rationellste Art, nach den Flügeln hin verwendbare Kräfte aufzuspeichern (vergleiche Nr. 8). Immerhin steht fest, daß eine vernünftig zentralisierte Stellung unter allen Umständen als konsolidiert zu betrachten ist.

Trotz alledem liegt auch die zentralisierte Stellung keineswegs außerhalb jeder Gefahrzone. Beispielsweise könnte der Gegner auf die Idee kommen, uns die zentralisierten Steine durch Abtausch zu entfremden. In diesem Falle gilt es, einen ausreichenden Rest der Zentralisierung ins Endspiel hinüberzuretten (Partie Nr. 7). Eine andere Gefahr wäre darin zu erblicken, daß der Gegner einen eigenen Sperrstein opfert, um auf diese Weise das Zentralterritorium plötzlich zu erweitern. Die hier angedeutete Gefahr wird so pariert, daß man bestrebt ist, sich den neuen Verhältnissen schnellstens anzupassen, zuweilen erscheint ein Rückopfer zwecks scharfer Ausnutzung einer zentralen Blockierungsschräge so recht angebracht (siehe Nr. 8). Mit vorstehenden kurzen Bemerkungen wollen wir uns vorläufig begnügen, alles andere erhellt aus den Partien selbst und den vorausgeschickten Besprechungen.