2. Hemmung und Blockade

Auch damit sind, genau wie mit der Zentralisierung auch, treffliche Erfolge zu erzielen, und ich kann die Anwendung der Hemmungsstrategie allen Spielern — ohne Klassenunterschied! — bestens anempfehlen! Man erlebt es oft mit Staunen, daß gerade ein Spieler geringerer Klasse das Blockieren mit einer größeren Frische und Unbefangenheit handhabt als der in der ersten Klasse Spielende. Ganz besonders gilt Gesagtes aber für die Anwendung meines Spezialstratagems: „Des Opfers auf Blockade.“ Hier versagt der in Ehrfurcht vor dem Bauernmaterial ergraute erstklassige Amateur viel eher als der begabte Schüler aus der 2. Klasse. Man beachte beispielsweise folgende zwischen zwei Amateuren gespielte Partie.

Der Führer der schwarzen Steine, Herr Karl Jacobsen aus Kopenhagen, war damals, nach etwa dreimonatigem Unterricht, gerade in die 2. Klasse aufgerückt.

Mit dem in obiger Partie zur Anwendung gelangten Stratagem ist die Hemmungsstrategie selbstredend bei weitem nicht erschöpft. Die Hemmung umspannt ein weites Gebiet und ist daher wahrlich nicht leicht zu assimilieren. Vor allem gilt es, den inneren Wert der Hemmung richtig zu erfassen. Eine feindliche Bauernmasse hat den Wunsch, vorzugehen; wir suchen diesem Wunsche entgegenzuwirken, indem wir uns dem drohenden Vorgehen entgegenstemmen. Wäre durch eben geschilderten Vorgang der gedankliche Inhalt des Hemmungsprozesses genügend scharf umrissen? Nein. In Wirklichkeit ist die Hemmung nur ein Teilmanöver eines sich langsam vorbereitenden Angriffs. Sie ist auf die Dauer nur dann wirksam, wenn dem mehr passiv wirkenden Entgegenstemmen eine ausgesprochene Angriffsidee angegliedert ist: besteht das Hemmungsinstrument aus einer Turmlinie, dann wird der zu hemmende Bauer selbst zum Angriffsobjekt; stützt dagegen die Hemmungsaktion sich auf eine Schräge, so fungiert als Angriffsobjekt der vom Hemmungsläufer beschossene Flügel ... Diese Erkenntnis von dem inneren, latenten Angriffswert der Hemmung (vergleiche Nr. 26—28) wird den schachlichen Horizont des Studierenden erweitern helfen.

Als unsere nächste Aufgabe betrachten wir es, den Sinn des Lernenden für den größeren oder geringeren Grad der dynamischen Schwäche eines Bauern (bzw. Bauernkomplexes) allmählich zu schärfen. Zu diesem Behuf führen wir eine Reihe von Partien vor, in denen Doppelbauerkomplexe, trotz anfänglicher Elastizität, schließlich doch zu völliger Bewegungslosigkeit erstarren. Wir halten dies für eine zweckmäßige Übung. An keinem Bauern ließe sich die dynamische Schwäche besser illustrieren als gerade an einem Doppelkomplex.

Nach diesen quasi vorbereitenden Übungen sind wir dann endlich so weit, daß wir uns mit dem Problem der Blockierung befassen können (Hemmung ist die Vorstufe dazu). So lernen wir es, ein Blockadenetz zu weben und die Gefahren zu meiden, die aus einer allfälligen Undichtigkeit desselben für uns entstehen könnten. In diesem Sinne wird die Anwendung prophylaktischer Maßnahmen ganz besonders empfohlen. Und zuletzt bringen wir zwei neuerdings aufgekommene recht eigenartige Varianten (nämlich meine Dresdener Dreiecksvariante und die Französische Partie mit „keck verstelltem“ c-Bauern) und suchen eine Brücke zwischen diesen Varianten einerseits und den Gedankengängen der Blockade andererseits zu schlagen.

Dem aufmerksamen Leser wollen wir ein sorgfältiges Studium des ganzen zweiten Abschnitts nochmals ganz besonders empfehlen. Es ist viel daraus zu lernen.