7.1 Einleitung und Allgemeines. Taktik oder Strategie. Über die mögliche Wiedereinschaltung eines ausgeschaltet gewesenen Fesselungsmotives. Das Gleichnis vom entfesselten Freibauern
Nach dem im positionellen Sinne überaus schwierigen 6. Kapitel dürfte das nachfolgende 7. Kapitel nur „allzuleicht“ erscheinen. Auch wird man vielleicht fragen, ob denn der gefesselte Stein überhaupt als Element in unserem Sinne anzusprechen sei, denn man könne eine Partie wohl auf eine offene Linie oder einen Freibauern, nie aber auf eine Fesselung anlegen!? Diese Anschauung vermögen wir nicht zu teilen. Freilich ergeben sich Fesselungen zumeist in rein taktischen Momenten, also beispielsweise während der Verfolgung des fliehenden Feindes, indes kann aber auch andererseits eine in der Anlage der Partie vorgesehene Fesselung den ganzen weiteren Verlauf logisch beeinflussen. Zu bemerken wäre hierbei, daß die Fesselung nicht einmal chronisch zu sein braucht: eine nur sporadisch auftauchende Fesselung, ja selbst das bloße Gespenst einer solchen, kann bereits sehr wohl zu schwächenden Zügen des Gegners Anlaß geben und somit bis ins Endspiel hinein „nachwirken“.
In diesem Sinne verdient nachfolgendes Partiebeispiel unser besonderes Interesse. Es handelt sich um ein Fesselungsmotiv, das ganz plötzlich auftauchte, um dann ebenso schnell zu verschwinden. Seitdem sind etwa 20 weitere Züge geschehen, und die Partie bewegt sich nun in den Bahnen solidesten Positionsspiels. Statt des flüchtigen Abenteuers einer vorübergehenden Fesselung beherrscht nun ein positioneller Vorteil – die e-Linie – dauernd das Brett. Hier, in der e-Linie, hat er sich häuslich niedergelassen, und jene „unruhvolle Episode“ hat sich ganz aus seinem seine Phantasie mit unruhvollen Träumen, läßt ihn sein häusliches Glück als schal und uninteressant empfinden und droht seine kleine, aber festgefügte Welt, die des wohlbestallten Bürgers und glücklichen Familienvaters in die Luft zu sprengen ...
Hier die Partie (siehe auch Partie 5):