6.7 Der schwache Felderkomplex von bestimmter Farbe
Partien 98 - 99
Das für die moderne Meisterpartie typische Bild: der eine der Partner laboriert an einigen Schwächen, die aber durchgehend von einer bestimmten Farbe sind. Der Prozeß der Zentralisierung (Nr. 23) wie auch der der Hemmung pflegt sich mit erstaunlicher Regelmäßigkeit auf Feldern von bestimmter Farbe abzuspielen. Nicht viel anders verhält sich die Sache auch beim Lavierungsspiel (vergleiche 5. Abschnitt), die obligatorischen „zwei Schwächen“ sind auch hier entweder „weiß“ oder aber „schwarz“, aber fast nie „gemischt“ (vergleiche zum Beispiel Nr.71). Es sei denn, daß es sich um folgenden Ausnahmefall handle: der Verteidiger einer vom Gegner beherrschten Linie (beispielsweise der e-Linie) hat zwei Einbruchsfelder zu bewachen, etwa e6 und e7 (vergleiche Nr. 93); hier hätten wir es mit einem schwachen Felderkomplex von gemischter Farbe zu tun.
In welcher Richtung hätte sich nun die Verteidigung zu bewegen? (Für den „Angriff“ haben wir bereits im 5. Abschnitt Verhaltungsmaßregeln gegeben.) Es gibt der Möglichkeiten drei:
1. Man kann versuchen, in der entgegengesetzten Farbe ein Gegenspiel einzuleiten. Eine solche Strategie (siehe Partie Nr. 98) dürfte nur dem reinen Angriffsspieler liegen, der Positionsspieler aber wird sich hierbei nicht recht wohl fühlen. Denn derartige Stellungen (der eine Partner hat sich „weißfeldrig“ verschanzt, der andere aber hat alle „schwarzfeldrigen“ Punkte okkupiert) lassen die Tendenz zur sukzessiven Klärung nur allzu deutlich vermissen, kommt doch das wichtigste Klärungsmoment — der Abtausch — nach Lage der Dinge nur wenig in Betracht. (Vergleiche die Note zum 9. Zuge in der Partie Nr. 98).
2. Man kann auf Rückeroberung des verlorengegangenen „bestimmtfarbigen“ Terrains spielen: eine gesunde Strategie, die wir hier an einem Beispiel illustrieren möchten. Weiß: Maroczy (Karlsbad 1923). Stellung nach dem 22. Zuge von Schwarz: Weiß: Kf2, Dd2, Tal, Tb1, Ld4, Ba4, c3, c2, e5, f3, g2. h2. Schwarz: Kg8, Dc4, Tf8, Tf5, La6, Ba7, b6, d5, e6, f4, g7, h7.
3. Daß der Gegner auf Feldern von bestimmter Farbe nicht allzu stark wird, läßt sich auch schließlich auf präventivem Wege anstreben, vergleiche den von uns in der Nr. 99 empfohlenen 12. Zug von Weiß (Lb5). Es dürfte einleuchten, daß wir dieser letzterwähnten Methode den Vorzug zu geben geneigt sind.