6.6 Der Läufer mit und ohne Vorposten

Partien 95 - 97

Dem freundlichen Leser wird sich beim Nachspielen der nun folgenden drei Partien der bestimmte Eindruck aufdrängen, daß er es hier mit „neuromantisch orientierten“ Läufern zu tun hat, die mit denen aus der alten Zeit „gar nicht zu verwechseln“ sind. Und doch handelt es sich nur um unwägbare Unterschiede.

In der Nr. 95 wird eine Läuferschräge nach Lineargrundsätzen behandelt. — In der Stellung Weiß: Td1, Sc3, Be4; Schwarz: Bc7 und d6 (wir folgen hier den Gedankengängen des „Systems“, auch ist das Schema dem genannten Buche entnommen) mußten wir der Linearwirkung zunächst noch jedes klare Angriffsziel absprechen, denn das Eindringen in die 7. Reihe konnte in Anbetracht der festen gegnerischen Defensivformation (c7, d6) keineswegs als reale Möglichkeit empfunden werden. Es geschah aber 1. Sc3—d5, wodurch die vage Linearwirkung zu einem realistisch gefärbten Vorpostenspringer verdichtet wurde (die Folge war c7—c6, um den unangenehmen Gesellen zu vertreiben! 2. Sd5—-c3, und die Linearwirkung hatte nun das klare Angriffsziel d6). — Der hier skizzierte Vorgang der Materialisierung, auf eine Schräge übertragen, das ist der Sinn unserer Nr. 95! Man vergleiche übrigens an unserer Nr. 61 den von uns empfohlenen Zug 28. Dh2—f4. Die Df4 wäre als Diagonalvorposten aufzufassen. — In der Nr. 96 fallen die Läufer durch Kühnheit im Angriff, in der Nr. 97 durch solche in der Verteidigung auf. Alles in allem genommen dürften die „unabwägbaren Unterschiede“ — siehe oben — darin begründet sein, daß die moderne Meistergeneration den gedanklichen Bau als solchen doch wohl etwas höher zu schätzen weiß, als unsere Altvorderen es taten. Auch treten Mut und Phantasie nun in einer anderen (und besseren) Einkleidung auf. (Man sehe die in der Luft schwebenden Läufer der Partie Nr. 96 und beachte ferner den „Mut der Entsagung“, der vom Lb7 in der Nr. 97 an den Tag gelegt wird.)