2.1 Einleitung. Allgemeines und Definitionen
Die von mir erfundene Theorie der offenen Linie ist als einer der Grundpfeiler meines Systems zu betrachten. Das Gesetz der Vorpostenbildung in einer offenen Linie hatte ich bereits vor ca. 12 Jahren in der „Wiener Schachzeitung“ veröffentlicht, aber damals fehlte mir noch die Erkenntnis dessen, daß genanntes Manöver dem Hauptzweck der Operation in einer Linie, nämlich der schließlichen Besetzung der feindlichen 7. oder 8. Reihe logisch untergeordnet sei, mit andern Worten: um den Widerstand des Gegners in der Linie zu brechen, etabliere man den Vorposten, ziele aber unentwegt nach der 7. Reihe hin, deren Besetzung man als Ideal jeder Linienoperation zu betrachten habe. Die Etablierung des Vorpostens sei also nur ein Hilfsmanöver. In Skandinavien pflegte ich meinen Vortrag über die offene Linie zuweilen mit folgenden Worten abzuschließen: „Diese Regeln über die »offenen« Linien werden, hoffe ich, dazu gedient haben, Ihnen, meine Herren, auch die Augen zu »öffnen«.“ Dieser kleine Scherz, der natürlich auch ein wenig ernsthaft gemeint war, hat nie Widerspruch geweckt. Die „offene Linie“ ist mein Liebling unter meinen Geisteskindern, und es war mir immer eine Freude, diesen gedanklichen Bau, der mir so viel Mühe und schöpferische Qualen verursacht hat, unter meinen Händen vor Zuschauern oder Lesern fix und fertig erstehen lassen zu können. – Aber lassen Sie uns mit dem Anfang beginnen,
Eine Turmlinie ist offen, wenn der eigene Bauer fehlt (bzw. wenn er zwar nicht fehlt, aber doch verdeckt ist, wie etwa der Fall in der h-Linie im Diagramm 14).
Diagramm 14
Diese weiße b, f und h-Linie sind offen, die d-Linie geschlossen. Die h-Linie von h3 ausgehend.
Diese Regel will besagen daß es für die Beurteilung der Frage, ob „offen“ oder „geschlossen“, nicht von Belang sei, ob die Linie gegen leere friedliche Punkte oder aber gegen lebende feindliche Steine (zumeist Bauern) ziele. Es gibt überhaupt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Spiel gegen Stein oder Spiel gegen einen Punkt. Denken wir uns z.B. einen weißen Turm auf h1, schwarzen König auf g8, schwarzen Bauern auf h7. Und denken wir uns andererseits dieselbe Stellung, aber statt des Bauern h7 nur einen Punkt h7, den Weiß erobern möchte. In beiden Fällen wird Weiß bei noch vorhandenem Material (das war vorausgesetzt, ich gebe immer nur die wichtigsten Umrisse der Stellung) ein Übergewicht gegen h7 zu erlangen suchen (ein Mehr von Angreifern gegenüber den Verteidigern von h7) und nach getaner Arbeit wird er dann schließlich das eine Mal Th1×h7 und das andere Mal T–h7 spielen, er stellt das eine Mal seine Figur mit Siegerstolz an Stelle des geschlagenen Steines, das andere Mal an Stelle des eroberten Punktes. Also es gibt keinen wie immer gearteten Unterschied zwischen einem zu erobernden Punkt h7 oder Bauer h7, denn die Beweglichkeit unsers Bauer h7 war eine Größe, die zu 0 tendiert, denn jedwedes Angriffsobjekt soll ja so weit als möglich unbeweglich gemacht werden.